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Mb_003 Thesenblatt der katholischen Jesuitenuniversität Dillingen vom Jahre 1708 mit dem Disput der hl. Katharina von Alexandrien

Stecher: Kilian, Wolfgang (1581-1662)
Inventor: Storer, Johann Christoph (1611-1671)

1708

Kupferstich, H. 44,5 x Br. 56,4 cm; beschnitten. Signiert mit: C. Storer delineavit unten links und Wolfgang Kilian sculpsit unten rechts. Die zentrale Darstellung der thronenden Katharina ist nachträglich durch Nachziehen im Randbereich unschön hervorgehoben. Johann Christophorus Storrer (161I? -1671) Konstanz; Wolfgang Kilian (1581-1662) Augsburg.

Das Kupferstichblatt ist hier in späterer Verwendung als Thesenblatt wiedergegeben. Der nachträgliche Schrifteindruck am Stufenpodest des Thrones der hl. Jungfrau Katharina nimmt keinerlei Rücksicht auf den architektonischen Aufbau. Auch fehlen der Thesenteil und die angekündigten Namen der Kandidaten. Einzelne Figuren sind mittels Kleinbuchstaben gekennzeichnet, diese sollten der Identifizierung dienen, haben sich aber nicht erhalten. Eine Namensnennung der Kandidaten auf der Thesenblatt-Rückseite ist auch nicht feststellbar. Die Widmungsinschrift lautet: Nomina DD. Candidatorum / Quos / A Virtute et Doctrina Per Legitimum / Examen Probatos / Ex Decreto Inclyti Collegii Philosophici /1n / Alma, Catholica, et Episcopali Universitate / Dilingana / St. Katharina von Alexandrien mit Märtyrerpalme und Radfragment thront als Patronin der Theologie zentral unter einem Säulenbaldachin. Sie ist sicherlich späterer Eindruck in das The- senblatt, zusammen mit dem Schriftsatz darunter. Nicht selten hat man solche zentralen Spiegelflächen freigehalten, um je nach Bedarf verschiedene Heilige oder Allegorien und Personifikationen einzudrucken oder einzukleben. Der Stil dieser Katharinenfigur ist wesentlich schwächer und später als der des Gesamtblattes. Über dem Thron der Weisheit wird Sapientia in den Wolken sichtbar, kenntlich an ihrem Augenszepter mit dem Strahlenbündel über Katharina, der Krone und dem offenen Buch mit der Inschrift: Ego principium Principium et Causa Causarum. Als Assistenzfiguren thronen Ceres und Architectura links und rechts im Gewölk; erstere als Abundantia mit Garbenbündel, Sonne, Füllhorn und der Inschrift: Naturae benignitate; ihr antwortet rechts die Architectura mit Zirkel und Lot, Baustein, Winkelmaß und der Aufschrift: Artis subsidia. Die Bekrönung des Sitzes der Sapientia sind Weltkugel und Sphärenglobus mit der Inschrift: Fortiter / Disposuit / Suaviter. Als Repoussoirfiguren dienen am Blattrand zwei Allegorien auf hohen Stylobathen; links Fortuna auf defektem Glücksrad mit Stern und geblähtem Segel und rechts ebenfalls Fortuna als verschleierte Blinde mit Buch, zwei Würfeln und Pfeil mit drei aufgespießten Tauben. Am Sockel der Text: Fortuna nihil / Nihil Casus. Im Sockel Reliefszenen mit Ackerbau und Handelskontor, rechts die Darstellung eines Zielschießens und soldatisches Würfelspiel. Auf der rechten Bildhälfte sind zudem die Künste versammelt: die Malerei bekränzt den Katharinenthron, die Bildhauerei meißelt an einem Jüngling, auf dessen Arm zu lesen ist: "non ex quolibet", die Musik spielt am Orgelpositiv und die Zeit zieht die Uhr auf. Daneben ergibt sich der Einblick in eine Alchemistenstube. Die linke Bildhälfte zeigt ein heftiges Gewitter mit Hagel und Erdbeben bei verwüsteter Landschaft; darin sitzt ein nackter Acephalus oder äthiopischer Blemmyer, dahinter ein schreitender Zwerg. Das Mirakulöse dieser Seite wird noch durch einen häßlichen Alten, nach Art siamesischer Zwillinge mit zweitem Kopf seitlich am Körper, vervollständigt. Diese Zufälle der Natur werden durch das Eingreifen des menschlichen Ingeniums veredelt, dargestellt durch den Bauern mit dem Pfropfreis und dem Ausspruch "non sine me". Er steht stellvertretend für die Bändigung und Veredelung der Natur durch menschliche Weisheit und Vorsorge. Im Gegensatz zur rechten Bildhälfte wird das dualistische Prinzip deutlich, wobei menschliches Ingenium dem der Musen und Künste durchaus unterlegen erscheint. Auch das tote Kalb im Vordergrund mit den Bienen um das Maul scheint das Ausgeliefertsein und die Vergeblichkeit menschlichen Mühens ohne Hilfe von Fortuna zu demonstrieren, während der zahme Löwe, vom Kind am Zügel geführt, die Beherrschung wilder Kräfte darzustellen scheint.

G. M. Lechner

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